Wir haben eine laute Welt. Ganz vielleicht bin ich auch älter geworden und mag den ganzen Lärm und das Getöse nicht mehr hören. Alle schreiben, kommentieren, twittern, und posten irgendwas. Aber was gewinnen wir damit? Es ist ganz viel Rauschen und wenig Substanz. Bei einem Thema im Ausmaß der aktuellen Migrationsbewegung reicht das nicht.
Ich erinnere mich noch an die Zeiten, als Meinungen ausführlicher als in 140 Zeichen geäußert wurden. Das passte auch dazu, dass die meisten Leser eine längere Aufmerksamkeitsspanne hatten. Heute geht es um Likes, Klicks und Unique Visitors – ist da auch Platz für durchdachte Texte?
Ich freue mich über Aktionen, wie die der Flüchtlinge, die am Kölner Bahnhof Blumen verteilt haben, meinetwegen auch die ewig Nackte, die sich auf der kölner Domplatte auszieht und proklamiert, dass sie trotzdem kein Freiwild sei. Diese Aktionen helfen, ein Bewusstsein zu schaffen: Und es gibt eine riesige und überwältigende Mehrheit, die sich über die Vielfalt der Gesellschaft freuen. Und trotzdem sage ich – es ist nicht ausreichend zu twittern, Blumen zu verteilen und sich auszuziehen.
Es fehlt das Durchdenken der langfristig erforderlichen Entwicklung der Gesellschaft an sich. Welches Selbsverständnis haben wir derzeit und welches brauchen wir? Welche Werte sind es, zu denen wir Empörung oder Bestätigung signalisieren? Wenn es uns gelänge, diese Werte zu bezeichnen, würde es vielleicht auch gelingen, sie zu transportieren: Willkommen, lieber Schutzsuchender. Ich gewähre Dir Schutz, denn ich bin reich und sehe es daher als meine Schuld der Gesellschaft gegenüber an, ihr etwas von meinem Reichtum zurückzugeben. Ich fühle mich als Gastgeber gut und weiß, dass auch mein Nachbar sich freut, Dich und Deine Welt kennenzulernen. Das wäre schon mal eine Formulierungsvorschlag neben einer Aufzählung des deutschen Sterotypen des fleißigen und pünktlichen Arbeiters.
Ich erwähnte bereits, dass ich gelegentlich auf news-Seiten Zertreuung suche, wenn auch nicht immer finde. Kürzlich habe ich nun einen Artikel gelesen, der mich beeindruckt hat. Schon in der Überschrift sprach er an, was auch Inhalt werden sollte: Das Ende der Lebenslüge.
Dieser Artikel gibt die Auseinandersetzung mehrerer Philosophen mit dem Thema der aktuellen Zunahme der Asylsuchenden wider. Insbesondere wird gefordert, dass sich Volk, Politik und gesellschaftliche Vordenker allen Aspekten ernsthaft („erwachsen“) auseinandersetzen. Besonders gefallen hat mir der Charakter der Texte: ruhig und substanziell begründendend. Dazu muss ich nicht zwingend immer einverstanden sein – ich habe mich trotzdem beim Lesen wohlgefühlt.
Ein weiterer Artikel ist mir in diesem Zusammenhang positv aufgefallen. Es ist ein Gastbeitrag von Wolfang Kubicki im Focus Online: Wir können den Rechtsstaat nicht an- und ausschalten. Bemerkenswert fand ich die Entlarvung des Politik-Getöses „Wir müssen jetzt mit der ganzen Härte des Gesetztes…“ irgendwas tun. So etwas haben wir alle gehört oder gelesen. Mit der Frage „Wie denn sonst?“ lässt der Rechtsanwalt Kubicki die Worthülsen der Profil-suchenden Schwätzer platzen. Sehr gut.
Was bleibt für mich?
Wie im Text zum Novembernebel bleibt die Erkenntnis, dass nur jeder selbst die Lärmquellen eindämmen und die lieblichen Töne finden kann. Ich gebe jetzt ein ganz leisen Ping in die Welt hinaus und schreibe meine Gedanken in diesen Blog. Vielleicht hilf er ja dem einen oder anderen bei seiner Suche. Ach ja: Und ich sollte vielleicht mal überdenken, wo ich meine News lese, dann muss ich ich vielleicht nicht so viel Getöse ertragen.