Eine Frage des Stils


Kürzlich habe ich mich an meinem Arbeitsplatz mit einem Kollegen über unterschiedliche Führung als eine Frage des Stils unterhalten. Wir waren nicht einer Meinung, was aber noch nicht Anlass für diesen Artikel(*) ist. Im nachhinein fragte ich mich aber, welche Alternativen es denn gibt und welche Kriterien wir an die Mitarbeiterführung legen sollten. Das Arbeitsergebnis sollte dabei nicht das Maß aller Dinge sein.

Die Begriffsdefinition von Wikipedia zu Führungsstil (aus Staehle, Management, 8. Auflage, München 1999, S. 334 nach Referenz auf Wikipedia selbst) ist:

Der Begriff Führungsstil bezeichnet ein langfristiges, relativ stabiles, von der Situation unabhängiges Verhaltensmuster der Führungsperson, das zugleich die Grundeinstellung gegenüber den Mitarbeitern zum Ausdruck bringt.

Das gefällt mir gut. Schauen wir uns nun an, welche Stile es gibt, bevor wir zur Kritik übergehen. In dieser Kurzform schwingt bereits mit, dass der Führungsstil etwas mit der Einstellung eines Menschen zu seinen Mitmenschen zu tun hat. Lesen wir den Wikipedia-Artikel weiter, bekommen wir schon einen sehr guten Eindruck von den unterschiedichen Führungsmodellen. Mir ist beim Lesen des Wikipedia-Artikels etwas aufgefallen: Wir können die Führungsstile in Mitarbeiter-zentriert oder Aufgaben-zentriert unterscheiden.

Aufgaben-zentrierter Führungsstil

Bei Führungstilen, die ich als Aufgaben-zentriert ansehe, geht es um die Optimierung des Arbeitsergebnisses. Wir kennen Beispiele, in denen es zwingend auf das optimale und in kürzester Zeit verfügbare Ergebnis ankommt: Der Feuerwehreinsatz duldet keine zeitlichen Verzögerungen. Das funktioniert unter folgenden Bedingungen super:

  1. Der Prozess muss eingeübt sein. Er wird gestartet und läuft quasi mechanisch bis zum Ende.
  2. Es darf nicht viele Varianzen innerhalb des Prozesses geben. Kreative Anteile behindern den Prozess und sollen durch eine zentrale Befehlsstruktur ausgemerzt werden.
  3. Die Mitarbeiter sind einverstanden, das Befehl-und-Gehorsam gilt.

In dem Artikel steht auch, dass die extrem hohe Arbeitsleistung nicht kontinuierlich auf dem hohen Niveau bleibt, sondern nach einer Zeit absackt. Zumindest in Umgebungen, die sich immer wieder ändern, kann ich das leicht nachvollziehen: Bei einem Führungsstil, der stumpfen Gehorsam erfordert, wird Potential für eine Prozessanpassung an eine veränderte Umgebung durch nicht mehr mitdenkende Mitarbeiter verschenkt.

Mitarbeiter-zentrierter Führungsstil

Bei einem Führungsstil dieser Art geht es in erster Linie darum, den Mitarbeiter im Sinne des Geschäfts optimal einzusetzen, an seinem Verhalten nachzubessern und dadurch quasi indirekt seine Wertschöpfung langfristig zu optimieren. Dazu gibt es gefühlte 1000 Varianten, wie sich denn die Führungsperson verhalten sollte. Diese Varianten versuchen mit unterschiedlichen Ansätzen das zugrunde liegende Problem zu lösen, aus einem Verhalten in der Vergangenheit auf ein besseres Verhalten in der Zukunft zu schließen.

Wir haben es oftmals mit Meta-Modellen zu tun, die verschieden Führungsstile subsummieren, die dann situativ und individuell eingesetzt werden sollen. Die Führungskraft muss sich daher mit dem Mitarbeiter und seiner Persönlichkeit auseinander setzen und erfahrungsbasiert „das Richtige“ tun. Die Bewertung kann dabei unfairer Weise nur rückwirkend passieren – ganz im Sinne: war wohl richtig / falsch, was ich getan habe. Eine gute Führungskraft würde man daher wohl daran erkennen, dass sie in der Retrospektive eine bessere Quote als 50/50 hat.

Kritik

Wie immer, wenn man sich mit dem Menschen beschäftig, gibt es von einer Eigenschaft nicht nur ja/nein, ganz/gar nicht, alles/nichts sondern auch alle Abstufungen dazwischen. Eine einfache Regel „Mache es so, dann klappt es schon“ wird der Komplexität der menschlichen Befindlichkeiten nicht gerecht. Mitarbeiterführung ist somit die Kunst, individuell auf die Mitarbeiter einzugehen und gleichzeitig das Große und Ganze nicht aus den Augen zu verlieren.

Im Sinne der Kunst gilt es daher auch zu lernen, zu praktizieren und sich selbst zu korrigieren. Als Korrektiv kann auch ein Coach / Mentor hilfreich sein.

Bei meiner Recherche habe ich den Artikel In der Arbeit muss sich der Mensch zurückhalten – es geht nicht anders! gelesen. Ich stimme dem grundsätzlich zu, allerdings nicht in dieser Eindeutigkeit. Der Autor hat recht, bei der Arbeit geht es um das Geschäft. Letztendlich hilft es dem Geschäft aber nicht, wenn ich die Mechanismen zur Wertschöpfung nicht werterhaltend pflege. Wenn eine Führungsperson verlangt, dass sich ein Mitarbeiter (komplett) zurücknehmen muss, um das Geschäft zu unterstützen, ist das kurzfristig in Ordnung und langfristig geschäftsschädigend.

Eine gute Führungskraft berücksichtigt also Folgendes:

  1. Den Charakter der geführten Person.
  2. Die persönlichen Stärken und Schwächen sowie temporäre Varianzen
  3. Die Innensicht der geführten Person auf die ersten beiden Punkte

Dann kommen die ganzen W-Fragen: Was hat er gemacht, Wohin will er sicht entwickeln, Welche Stärken hat er, Wo wird er gebraucht, Wie kann er sich weiter entwickeln? Die Ableitungen daraus sind natürlich auch nicht schwarz/weiß. Damit „gute“ Vorgaben zu entwicklen, zeichnet eine „gute“ Führungskraft aus.

Langfristig ist der Mitarbeiter motivierter, wenn er sieht, dass seine Arbeit zum Erfolg beiträgt und gesetzte Ziele anspruchsvoll aber realistisch sind. Unrealistische Ziele und auf maximale Effizienz getrimmte Arbeit (Befehl-Gehorsam) demotivieren, weil eigenes kreatives Potenzial nicht zur Entfaltung kommt.

Was bleibt für mich?

Ich halte meine Augen auf beim Führen und geführt werden. Ich bin sicher kein einfacher Charakter, das muss ich einräumen. Meinen Leuten gegenüber versuche ich offen und fair zu sein. Klappt hoffentlich besser als 50/50.

Weitere Materialien

  1. Wie hätten Sie es denn gerne?
Schlechter Führungstil nach Dilbert
Schlechter Führungstil nach Dilbert (aus der SZ)

(*) Überarbeitet am 4.12.2017