Ich muss einräumen, dass ich mich zwar auf den Kurzurlaub auf Helgoland freue, allerdings völlig unvorbereitet bin. Ein paar Klamotten, Buch, Zeitung, Kamera habe ich mit und ein paar Vorurteile: Nur ein Felsen im Meer, zwei Fußballfelder groß, Steilküste und fertig. Man kommt mittags an, geht nachmittags spazieren und hat abends alles gesehen. Glücklicherweise habe ich mich getäuscht.
Letztendlich stimmt von allem nur die Ankunftszeit. Meine beste Ehefrau von Allen hat über das Internet ein kleines Appartement aufgetan und Jan, der Hauswirt heißt uns in seiner Bude 31 willkommen. Wichtig sei, so sagt er, dass auf Helgoland das Leben sehr entspannt abläuft. So erleben wir das auch, aber das gilt wohl nicht für alle: Die Reinigungskräfte für das Aufklaren der Gästezimmer, haben ziemlichen Druck, ihre Arbeit zu erledigen.
Das Wetter bestimmt wesentlich den Tagesablauf. Veranstaltungen und auch der Fährenfahrplan ist immer vorbehaltlich passenden Wetters. Das kann extrem sein und ist sicher sehr wechselhaft: morgens kann es strahlenden Sonnenschein geben, mittags Regen und nachmittags wieder Sonne. Dazu gibt es Wind oder auch nicht oder auch viel. So zeigt Helgoland ihr Gesicht als Hochseeinsel. Wir bekamen nach einem windstillen Sonnentag mit gefühlten 25 Grad die letzte Fähre zum Festland. Danach stellte die Reederei den Fahrbetrieb wegen Sturmgefahr ein.
Helgoland hat eine bemerkenswerte Vergangenheit, die auch heute noch sehr präsent ist: Im Oberland finden sich Bunkeranlagen, Bombenkrater und Küstenschutzanlagen. Für mich jedoch noch bedeutender waren zwei Dinge, die den Bezug zu diesem Blog herstellen.
Dinge geschehen lassen
Es gibt auf Helgoland den berühmten Lummenfelsen. Hunderte Lummen, Basstölpel und Dreizehenmöwen wohnen zur Brutzeit auf dem Felsen, der Steilküste im Nord-Osten. Nur durch einen Drahtzaun getrennt stehen sich Tiere und Menschen gegenüber und beobachten sich gegenseitig. Die Vögel kümmern sich um ihre Jungen, die Menschen um die Fotos von den Vögeln und den Felsen. Völlig selbstverständlich nehmen die Menschen Rücksicht auf die Tiere und verhalten sich ruhig. Auch als ein Basstölpel etwas im Flug verliert und damit einen Besucher trifft, gibt es nur das verständliche Ausmaß an Aufregung.
Auf der Düne, die Helgoland vorgelagert ist, wohnen Seehunde und Kegelrobben. Auch hier war es erstaunlich, mit welcher Normalität sich Tiere und Menschen den Strand teilen: Die Tiere liegen irgendwo am Strand, wundersamer Weise außerhalb der mit Bojen markierte Badebereiche für die menschlichen Badegäste. Spaziergänger gehen in einem weiten Bogen um die Tiere herum, kümmern sich um ihre Fotos und ließen die Tiere in Ruhe.
Warum gelingen uns hier Gelassenheit und Ruhe und in anderen Bereichen des Lebens nicht? So einfach ist es nicht. Was wie eitel Sonnenschein aussieht, ist es nicht. Wir gefährden die Basstölpel mit Seil- und Netzresten und bauen schon einmal einen Hochsee-Windpark, ohne zu wissen, wie er die Tierwelt beeinträchtigt. Wir bekommen nur vordergründig eine heile Welt zu sehen, wir dürfen unsere Augen nicht davor verschließen, dass es eine zweite Seite der Medaille gibt. Schaut Euch dazu mal auf den Seiten des Vereins Jordsand um, der auf Helgoland aktiv ist und sehr gute Führungen anbietet.
Aufmerksamkeit
Nicht nur die arbeitende Bevölkerung sondern auch die Gäste waren aufmerksamer und intensiver in allen Begegnungen als ich es gewohnt bin. Eine Kassiererin im Insel-Edeka sprach mich auf einen Anhänger meines Rucksackes an. Eine Besucherin wollte sich um eine Kuh kümmern, die im Oberland wohnte und ungesund aussah.
Die Helgoländer sind sicher eine verschworene Gemeinschaft, die gegenseitig auf sich aufpassen. Genauer hingeschaut, erkennt man, dass nicht alle Helgoländer sein können, die dort arbeiten. Da schleicht sich die eine oder andere Ost-Europäische Aussprache ein. Wir haben gehört, dass es nicht viele Zimmer gibt, die nicht an Touristen vermietet sind. Für Saisonkräfte bleibt da nichts Attraktives und Bezahlbares übrig, zumal die Entlohnung auch nicht so gut sei. Das ist sicher nichts Ungewöhnliches für eine Touristenregion, es ist nur wichtig, dass man es sich ins Gedächtnis ruft.
Was bleibt für mich?
Meine beste Ehefrau von allen und ich hatten wunderschöne Tage auf Helgoland. Wir haben viel gelernt, den Angriff einer Möwe auf das Brötchen in der Hand überlebt, Zoll- und Steuerfrei eingekauft und Knieper-Brötchen gegessen. Aber Helgoland zeigt auch, dass es sich oftmals lohnt, von zwei Seiten einer Medaille auszugehen.
Besonders gefreut hat mich, dass ich auf der Rückfahrt eine Exklusiv-Führung in den Maschinenraum des Halunder-Jets bekommen habe. Meine Fotos darf ich nicht veröffentlichen, aber ich darf berichten, dass hinter den Kennzahlen eine imposante Technik steckt mit einem freundlichen Team auch unter Deck.
Noch ein Tipp: Übernachtet auf Helgoland. Es ist wichtig, die Insel ohne die Tagesausflügler zu erleben. Sie entfaltet ihren Charme erst in der Ruhe und auch im Wechselspiel mit dem Trubel. Lasst Euch einfangen von den Gezeiten und dem Wetter, lebt im Jetzt und lasst das Planen einfach bleiben – das Wetter spielt sowieso nicht mit. Ach ja: Meine Wetter-App erzählt nur Blödsinn über Helgoland. Vielleicht gibt es andere Wetter-Apps, die auch Helgoland können – meine Lösung war, das Handy in den Rucksack zu verbannen.