Der Dunning-Kruger Journalist


Es gibt ja immer wieder Artikel auf den News-Portalen dieser Welt, die mich zum Schmunzeln bringen. Ein Herausragender aus der Flut der Belanglosen ist Nichts gelernt, und auch noch stolz darauf. Neben dem durchaus ansprechendem Artikel selbst sind es aber immer wieder die Kommentare, die den wirklichen Glamour über den Artikel gießen. Schauen wir uns das mal an.

In dem Artikel bricht der Autor eine Lanze für die gut ausgebildeten Fachkräfte im Vergleich zu denen, die sich ohne Ausbildung für kompetenter halten. Insbesondere angesprochen sind die Journalisten im Vergleich zu den journalistisch nicht ausgebildeten Schreibern (wie mir zum Beispiel). Festgemacht ist die Kritik an Form und Grammatik, angereichert um ein Zitat, dann kommt das Totschlag-Argument in der Hoffnung, das es auch der Letzte verstehen möge: Wer vertraut schon sein Auto dem selbsternannten KFZ-Mechaniker an, der mit zwei linken Händen Schraubenschlüssel und Hammer nicht voneinander unterscheiden kann?

Die Kommentare

Kommentare sind großartig! Irgendwann lese ich die Kommentare vor dem Artikel! Dann ist sichergestellt, dass ich wenigstens das Wichtigste auch gelesen habe! Wie zu erwarten ist, gibt es zu diesem Artikel Zustimmung und Ablehnung – es gibt aber auch überraschend wenig Geschimpfe. Die Highlights:

  1. Der Verweis auf Wiki-Pedia zum Dunning-Kruger Effekt. Weitere Verweise auf Vernunft, Logik und Verstand…
  2. Erfahrung heißt gar nichts. Man kann seine Sache auch 35 Jahre schlecht machen [Tucholsky]
  3. Das Prinzip kann beliebig auf Lehrer, Erzieher, Forscher und Fußbaltrainer ausgedehnt werden.
  4. Nicht über die Form diskutieren, sondern über den Inhalt (Siehe auch Whataboutism)
  5. Etwas Demut würde auch dem Autor des Artikels gut tun. Auch getarnt als Kritik der Art „Ich muss kein Huhn sein um faule Eier zu erkennen“.
  6. Es gibt Verweise auf die Notwendigkeit, sich umfassend zu informieren, also mit Hilfe mehrerer Artikel zum Thema, zum Beispiel im Internet.

Diese Kommentare kann ich nicht unkommentiert stehen lassen.

Dunning-Kruger

Der Dunning-Kruger Effekt besagt, dass inkompetente Menschen sich statistisch gesehen für kompetenter halten, als sie sind. Das bedeutet umgekehrt, dass sie seltener erkennen, dass sie inkompetent sind. Das ist wunderbar, damit kann man jetzt alles erklären.

Nehmen wir folgende Aussage an: Merkel ist eine kluge Politikerin. Der Sprecher wird sich für kompetent halten, so etwas zu sagen. Schauen wir uns den Wahrheitsgehalt der Aussage mal an:

  1. Sprecher ist kompetent => Aussage ist wahr
  2. Sprecher ist kompetent, aber keiner hält ihn für kompetent => Aussage ist beliebig
  3. Sprecher ist nicht kompetent => Aussage ist beliebig
  4. Sprecher ist nicht kompetent, aber alle halten ihn für kompetent => Aussage ist beliebig aber alle glauben sie
  5. Sprecher hält sich für kompetent ist es aber nicht => Aussage ist beliebig

Gefahr geht von dem Punkt 4. aus. Wir brauchen daher so etwas wie den Gradmesser für Kompetenz. Üblicherweise lösen wir die Frage, für wie kompetent wir jemanden halten, über seine Vertrauenswürdigkeit: „Den kenne ich, der sagt schon das Richtige.“ Das könnte einschließen: „Außerdem sagt er das, was ich hören will. Dann wird es wohl auch richtig sein.“ Schlimmer als die Wirkung des Dunning-Kruger Effektes auf den Betroffenen ist daher die Wirkung desjenigen auf Dritte. Dann wird auch mal Bullshit als wahr angesehen, wenn ich den Sprecher nur als kompetent ansehe.

What about Rechtschreibung?

Sich über Kommasetzung und fehlendem/falschen Konjunktiv als Antwort auf Kritik am Journalismus echauffieren ist ganz klar WhatAboutism. In der Ehre als Journalist gekränkt, eröffnet der Autor den Nebenkriegsschauplatz der möglicherweise unzureichenden Kommasetzung des Kritikers. Das ist ein rhetorisches Stilmittel aus der untersten Schublade.

Dass die Kommasetzung wichtig zum Textverständnis ist und es dem Leser erleichtert, Zusammenhänge zu sehen, ist inhaltlich korrekt. Die Nutzung des Konjunktivs führt nicht immer zum besseren Verständnis, kann aber herrliches Stilmittel sein. Das will ich nicht bewerten. Wolf Schneider hat eine klare Meinung dazu: „Und wenn nur ein Fünkchen Hoffnung glömme, dass uns der Zeitgeist nicht entgegen bliese: Wir täten alles, dass er weiter gölte und nicht verdürbe, der schöne deutsche Konjunktiv.“  Siehe dazu auch Teachsam.

Umfassend informieren

Sehr schön auch der Verweis einen Komentators, dass es ja die neutrale Berichterstattung der Journalisten sowieso nicht gibt und man solle daher lieber im Internet mehr zum jeweiligen Thema lesen. Großartig. Wer schreibt diese Artikel doch gleich? Journalisten? Oder wieder die Dunning-Kruger-Journalisten? Schwierig, da raus zu kommen. Irgendwer muss das doch schreiben!

Was bleibt für mich?

Kommentare unter den Artikeln bringen Meinungsvielfalt und weitere Aspekte zum Text. Zusätzlich bringen sie Platz- und Zeitverschwendung sowie gute und schlechte Aufreger. Ich finde sie großartig und erkenne ein Panoptikum der Leserschaft. Als Dunning-Kruger-Journalist (oder auch Blogger genannt) schreibe ich weiterhin und nutze die Möglichkeiten des Internets aus. Herauszufinden, ob ich kompetent bin, mich nur dafür halte oder nur so tue als ob ich es wäre, überlasse ich dem geneigten Leser. So schließt sich der Kreis übrigens zum Titel.


Eine Antwort zu “Der Dunning-Kruger Journalist”