Spontan oder überlegt


Immer wieder müssen wir spontan und gleichzeitig überlegt Entscheidungen fällen – das gelingt nicht jedem. Wenn jetzt auch noch hochrangige Politiker beginnen, sorglos Alternativen auszublenden, wird es kritisch: Wir müssen wohl doch unser eigenes Hirn zu Rate ziehen, bevor wir versehentlich die Büchse der Pandora öffnen. Aber wo anfangen zu hinterfragen und zu überlegen, wo enden? Was können wir im im Zeitalter von Fakenews und vermeintlicher Lügenpresse denn noch als Quellen glauben? Und was sollen wir tun?

Zunächst einmal ist es wichtig, zu unterscheiden, ob eine Situation vorliegt, die reflexhaftes Handeln erfordert, zügiges Handeln oder langfristiges. Das können wir auch kombinieren, indem wir zügig ein Pflaster auf das Problem kleben und langfristig an dessen Ursache gehen. Der Reflex erzeugt eine Handlung, ohne das wir nachdenken müssten – die Antwort auf einen Umweltreiz geschieht automatisch, wir haben keinen Einfluss darauf.

Wir müssen nun erkennen, in welche dieser Kategorien eine beobachtete Reaktion auf ein Ereignis fällt und insbesondere, ob sie dahin gehört. So mag der reflexhafte Ruf nach Vorratsdatenspeicherung nach einem terroristischen Anschlag zwar im Moment üblich sein, ist aber falsch: Der Ruf mag noch als Reflex akzeptabel sein, die daraus resultierende Handlung ist aber zu komplex, um ein Reflex zu sein. Sie ist nach meiner vorsichtigen Einschätzung eher etwas langfristiges, sollte also zuvor überlegt, rechtlich abgesichert und erwiesen zielführend sein. Auch wenn die letzten beiden Aspekte sicher auch noch zu diskutieren sind, interessiert mich hier die Abgrenzung „überlegt“ und „reflexhaft“.

Wenn wir also die Zeit haben, unsere Handlungen zu überlegen, wir also nicht auf den Reflex angewiesen sind, dann wäre es doch richtig klasse, wenn wir die Zeit auch so nutzen würden. Pixar hat recht anschaulich visualisiert, was passieren kann, wenn man erst handelt und dann überlegt:

Mit der Aufforderung, den Reflex als solchen zu erkennen und anschlließend wieder mit der Ratio an ein Problem zu gehen, geht der nächste Schritt einher: Wer von Alternativlosigkeit spricht, hat möglicherweise noch nicht genügend nachgedacht. Die Antwort auf „Alternativlos!“ ist somit nicht „Achje, na, wenn das so ist, dann müssen wir wohl.“ sondern „Weiter nachdenken, morgen drei neue Ideen präsentieren, auf Wiedersehen.“

Ein pragmatischer Ansatz

Die Kunst ist nun, abzuwägen, wie viel Zeit wir uns zum Nachdenken können – das andere Extrem zum Reflex wäre nämlich, nur noch zu denken. Die Antwort ist einfach: genau richtig viel Zeit. Zuvor gibt es aber noch Hausaufgaben:

  1. Wir sollten unser Problem in Phasen oder thematische Gebiete aufteilen, wenn es geht.
  2. Wir müssen verifizieren, ob unsere Annahmen über die Problemursachen richtig und vollständig sind.
  3. Gibt es perfekte Lösungen für unser Problem oder nur unterschiedlich gute? Woran erkenne ich eine gute Lösung? Wie wichtig sind die Eigenschaften einer Lösung? Welche / wieviel Verbesserungen schafft die Lösung des Problems im Vergleich zum aktuellen Status?
  4. Wir klopfen mögliche Handlungen in der „Nachdenkphase“ auf Konsequenzen, Risiken und Nebenwirkungen ab.

Die Zeit ergibt sich wie folgt:

  1. Wir nehmen uns zum Nachdenken vor einer Aktion immer die maximale Zeit, die wir zur Verfügung haben, ohne Konsequenzen zu fürchten.
  2. Wir fällen Entscheidungen immer spätestmöglich, bevor für uns oder andere Betroffene Konsequenzen eintreten. So können wir möglichst lange auf Unvorhergesehenes reagieren.
  3. Wir setzen Risiko- und nebenwirkungsarme Handlungen möglichst früh um, damit wir daraus resultierende Erkenntnisse in nachfolgende Schritte einbeziehen können.
  4. Wir können voneinander unabhängige Handlungen gleichzeitig starten.

Mit diesem Modell können wir überlegen und sorgfältig handeln, geraten aber nicht in Verdacht, nur Reflexezu haben,  Alternativen zu übersehen oder nur zu denken und nicht zu handeln. Der Vollständigkeit möchte ich noch erwähnen, dass andere Veröffentlichen zu diesem Thema gerne das Pareto-Prinzip als Richtlinie für eine vernünftige Kosten-Nutzen Abwägung nennen. Das ist etwas ausgelatscht, aber auch nicht so falsch. Wenn wir aber die Zeit für 90% Problemanalyse haben, ohne, dass es jemanden interessieren sollte, können wir uns eben auch diese Zeit nehmen.

Was bleibt für mich?

Naturgemäß neige ich zum sorgfältigen Nachdenken. Da ich diese Neigung aber ins Nachdenken einbeziehe, habe ich mich bewusst bei der einen oder anderen Situation schon mögliche risikoarme, frühe Handlungen umgesetzt und bin damit der Lösung wirklich näher gekommen, weil sich andere Optionen durch neue Erkenntnisse geschlossen haben. Das ist vielversprechend und ausbaufähig.


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