Wichtig versus Dringend


Wenn wir festellen, dass unsere Zeit nicht reicht, alle Dinge zu tun, die zumindest gefühlt anstehen, fangen wir an, den Aufgaben eine Reihenfolge zu geben. Eine wichtige Art, die Themen zu gruppieren, ist die Aufteilung nach Wichtig versus Dringend. Allgemein empfohlen wird, dass wir uns auf die dringenden Themen stürzen sollen, aber so einfach ist es natürlich mal wieder nicht.

Was ist denn, wenn wir unwichtige dringende Themen auf der Liste stehen haben? Oder so viel Dringendes, das wir nicht zu den Wichtigen Dingen kommen? Wir kommen also nicht umhin, beide Eigenschaften im Blick zu behalten. Ist auch ganz einfach, der strebsame Leser hat sich ja bestimmt schon mit dem Thema auseinandergesetzt und kennt alle ca. 180.000 Fundstellen von „richtig priorisieren“ im Internet. Ich muss einräumen, dass ich nicht alle durchgearbeitet habe. Ich habe aber wenig gefunden, was mir hilft, meine Themen nach selbst nur diesen zwei Kategorien zu gruppieren: Was ist wichtig? Was ist dringend? Dann habe ich herausgefunden, dass wir tatsächlich weitere Fragen stellen müssen:

  1. Wem ist ein Thema, das bei mir liegt, wichtig?
  2. Wie wichtig ist mir diese Person?
  3. Was passiert, wenn ein dringendes Thema nicht erledigt wird?
  4. Kann ich einfach die Dringlichkeit reduzieren?
  5. Kann ich die Auswirkungen beeinflussen, falls ich die Aufgabe innerhalb der Zeit nicht erledigen kann?

Wenn also ein Thema sehr wichtig ist, weil beispielsweise eine Entscheidung mit finanziellen Auswirkungen gefällt werden muss, so bleibt die Frage: Wessen Geld und wie wichtig ist mir diese Person. Wenn morgen das Sonderangebot für meinen Lieblingsjoghurt abläuft (dringend!), könnte ich mir überlegen, stattdessen mich mit Schokolade oder anderen Grundnahrungsmitteln zu ernähren (Auswirkung beeinflussen).

Wir bekommen so einen weiteren Filter vor unsere Aufgabenliste: Wir reduzieren die dringlichen Aufgaben auf diejenigen, die

  1. wichtig und dringlich sind und
  2. wichtig für uns selbst und den uns wichtigen Personen sind.

Wir sollten uns bemühen, dass wir nur sehr wenige wichtige und dringende Aufgaben haben. Und mit „bemühen“ meine ich wirklich bemühen! Und dabei darf die Perfektion vielleicht auch etwas leiden. Ziel muss es sein, die wichtigen Themen mit Sorgfalt und Zeit zu bearbeiten, denn diese Themen haben wesentlichen Einfluss auf uns und unsere Umgebung.

Woran erkenne ich Wichtigkeit und Dringlichkeit?

Dringende Themen erkennt man einfach an der Kurzfristigkeit ihrer Fälligkeit: Morgen fällig? Dann ist es dringend. In 5 Minuten fällig? Dann ist es noch dringender.

Wichtige Themen erkennt man an den Auswirkungen, die eintreten, wenn sie erledigt oder auch wenn sie nicht erledigt werden. Der Vermeidung von Personenschäden wird in der Regel eine hohe Wichtigkeit eingeräumt. Auf den 50%en Einbruch des Jahresumsatzes wird ein Geschäftsführer ein gewisses Augenmerk legen. Aber was ist mit den unkonkreten Themen wie „ich fühle mich nicht wohl im Job, in der Partnerschaft, im Leben“?

Diesen Themen wird typischerweise erst dann Aufmerksamkeit geschenkt, wenn sie auch dringend werden. Dann haben wir aber womöglich die Chane vertan, sie ihrer Wichtigkeit angemessen sorgfältig zu bearbeiten – dann besteht die Gefahr, dass wir unseren Anspruch an Perfektion der Maßnahmen reduzieren müssen.

Wichtige Themen werden nicht dadurch weniger wichtig, dass sie nicht dringend sind.

Können wir erkennen, was die wichtigen Themen in diesem Sinne sind? Ja, klar geht das:

  1. Einfach mal drüber nachdenken.
  2. Wir sind nicht die ersten und schon gar nicht die einzigen, die darüber nachdenken. Das ist ein klassisches Thema der Philosophie, das mit etwa 33Mio Einträgen für „was ist wirklich wichtig“ auch im Internet recht umfangreich behandelt wird.
  3. Zum Beispiel Herr Epikur machte sich schon vor mehr als 2000 Jahren seine Gedanken zum Thema. Ich meine mich zu erinnern, dass IPhone und Merzedes S-Klasse nicht in seinen Ausführungen über das „Gute Leben“ vorkamen – nicht einmal die alt-griechischen Äquivalente dazu.

Das in den Links oben verpackte Futter sollte erstmal für den einen oder anderen Leseabend ausreichen. Nicht vergessen, ein paar Notizen zu machen, welche Themen sich dabei herauskristalisieren. Norman Brenner hat auf seiner Seite einen Online-Test, in dem er ein Netzdiagramm erstellt, in dem Soll und Ist dargestellt wird: Was ist mir wichtig und wo stehe ich. Ich habe ihn nicht gemacht, er hat aber viele positive Kommentare.

Was bleibt für mich?

Das ganze Sinn-und-Wichtigkeits-Gesuche ist ja nun mal ziemlich individuell. Was für den einen wichtig ist, ist es überraschender Weise für einen anderen eben nicht. So platt diese Aussage ist, so relevant ist sie aber auch: Es gibt vermutlich keine zwei Menschen auf der Erde, die in ihrer Sortierung der Wichtigkeit der Dinge übereinstimmen.

Die Kunst besteht darin anzuerkennen, dass die Mitmenschen bestimmten Themen  unterschiedliche Wichtigkeit beimessen. Ich denke, dass es in einem Gespräch hilft, die persönliche Wichtigkeit des Themas zu beschreiben. Dann kann der Gesprächspartner das Gesagte besser einordnen, auch wenn er die Wichtigkeit ja nicht teilen muss.