Wenn wir auf der Suche nach den wirklich wichtigen Dingen im Leben sind, bedeutet es doch, dass wir im Sinne der alten Philosophen „das gute Leben“ führen wollen. Letztendlich ist bereits die Frage danach der Beginn des guten Lebens.
Eine der Säulen – wenn nicht gar die Säule – für den Weg in das gute / gelungene Leben weist in der abendländischen Geschichte die Philosphie der Stoa. Zeitgemäß reduziert auf eine Tweet-Länge „Love it, change it or leave it“ müssen wir uns dann um die „gute“ Klassifizierung einer Situation in diese drei Kategorien bemühen.
Zur Schulung meiner Fähigkeit zur Klassifikation habe ich mir mal das „Handbüchlein der Moral“ von Epiktet bestellt. Wie vertreibe ich mir die Zeit bis dahin? Ich kann es ja nicht lassen und habe noch einmal G**gle befragt, ob ob er mittlerweile weiß, was wirklich wichtig ist. Hat ja schon mal nicht geklappt, aber die Leute arbeiten wohl weiter an der Suchmaschine habe ich mir sagen lassen – eine zweite Chance ist also angemessen.
Noch immer keine Hilfe von G**gle
Mich hat irritiert, dass Google mir nun in den ersten Ergebnissen mehrere Veröffentlichungen zum Thema anbietet, in denen Sterbende quasi auf dem Sterbebett erkennen, was wirklich wichtig ist. Tenor war, dass sich die jungen Hüpfer also mal anhören sollten, was die Sterbenden zu sagen hätten. Zufällig hat da auch jemand mitgeschrieben und es auf der jeweiligen Seite veröffentlicht oder sie waren es gar selbst. Es waren sogar junge Menschen dabei – mitte Zwanzig – die aufgrund schwerer Krankheit ebenfalls dem Tode nahe standen. Zum Glück konnten sie aber noch ihr Handy für einen Post auf Reddit bedienen.
Ich wirke grade vielleicht etwas zynisch. Das soll nicht mißverstanden werden: Ich habe Verständnis für die Menschen, die dem Tode nahe stehen und sich in Angesicht des Todes Gedanken machen, ob sie ihr Leben gut gelebt haben. Auch ist die Botschaft korrekt, dass sich jeder Mensch diese Gedanken machen sollte. Dadurch, dass die Erkenntsnisse im Angesicht des Todes entstanden sind, kann ich jedoch für mich keine höhere Relevanz ableiten. Sie werden dadurch nicht richtiger oder wichtiger oder besser. Sie bleiben die Erkenntnisse dieser Person und müssen sich einer Kritik stellen. Das gleiche gilt sinngemäß natürlich auch für Ratschläge von Menschen die in der Öffentlichkeit stehen und dadurch einen leichteren Zugang zu etablierten Medien haben.
Beispiele
Verschwendet Eure Zeit nicht mit Arbeit, die Ihr nicht gerne tut. Es ist offensichtlich, dass man keinen Erfolg mit einer Sache haben kann, die man nicht mag. Geduld, Leidenschaft und Hingabe ergeben sich wie von alleine, wenn man liebt, was man tut.
https://www.miss.at/dieser-sterbende-24-jaehrige-erzaehlt-was-im-leben-wirklich-wichtig-ist/
Es ist ein verbreitetes Mißverständnis, dass „tun, was man liebt“, Erfüllung bringt. Es ist nur eine notwendige Bedingung, denn ich muss auch das Richtige wollen. Wenn ich meine Erfüllung also im Sortieren von Bügelperlen finde, ist das keine Tätigkeit, die ich als geeignet definieren würde, ein gutes Leben zu resümieren. Im Sinne eines konsequenten Individualismus gibt es da sicher nichts gegen einzuwenden, dass eine Person ihre Zeit damit verwendet. Individualismus ist aber kein Garant für das Gute.
Der folgende Autor ist nicht dem Tode nahe, sein Bekanntheitsgrad ist jedoch auch kein Garant für Hilfe bei der Suche nach dem guten Leben:
Nur eine Minderheit kann reich sein, nicht jede Frau sieht aus wie einst Sophia Loren, und immer nur eine(r) kann Bundespräsident sein.
https://www.welt.de/debatte/kommentare/article7860732/Ueber-die-Frage-was-wirklich-wichtig-ist-im-Leben.html
Rein sachlich mag diese Aussage korrekt sein, warum also stolpere ich darüber? Weil ein gutes Ziel (Bundespräsident) mit zwei nicht guten Zielen (Reichtum, Schönheit) nebeneinander gestellt wird, als ob das Streben nach dem einen wie dem anderen gleichrangig sei.
… an den Strand zu fahren, seine Füße ins Wasser zu halten und die Zehen im Sand zu vergraben.
https://www.brigitte.de/aktuell/buzz/sterbende-erklaert–was-im-leben-wirklich-wichtig-ist-11042918.html
Die Selbstsorge ist in der Tat eine wichtige Voraussetzung für das gelungene Leben. Ich kann kein gutes Leben führen, wenn ich mich nicht um mich selbst sorge. Das Meer wird dabei in der Tat häufig als Sehnsuchtsort genannt und die Nähe als zentrierend.
Was bleibt für mich?
Die Suche nach dem guten Leben ist bereits Bestandtteil des guten Lebens. Sich Gedanken dazu machen, sich mit Freunden austauschen und am Besten dabei auf einem Deck Chair sitzen. Und bis die Freunde kommen, noch einen Blog-Post schreiben.
Wenn ich das Handbüchlein der Moral gelesen habe, melde ich mich mal mit einer Rezension. Und für die Hedonisten unter uns gibt es bis dahin weiteren Zeitvertreib im Netz.