Vielleicht ist es Zufall, es passt aber sehr gut zu meinen aktuellen Gedanken über das Suchen und Finden von dem, was wirklich wichtig ist: Auf LinkedIn sehe ich Posts von Personen, die eine Art Heldenreise hinter sich haben: Ich hatte einen Job, der war mehr oder weniger gut, dann ist XY passiert, das hat mir die Augen geöffnet, jetzt sehe ich klar und mache YZ. Meist wird die Geschichte abgeschlossen mit der Aufforderung, es einem Gleich zu tun. Man solle sich nicht von irgendwem beirren lassen, man muss schon selber mit sich im Reinen sein. Das halte ich für hedonistisch und kurzssichtig – möglicherweise in dieser Kurzfassung etwas arg provokativ, aber der Artikel geht ja noch weiter…
Ich tue den Menschen möglicherweise unrecht – das möchte ich gleich an den Anfang stellen. Dennoch bleibt ein schales Gefühl, wenn die Suche nach dem wirklich Wichtigen bei einem selbst stehen bleibt. Zweifellos ist es wichtig, sich und seine Bedürfnisse zu kennen, denn ohne die Selbstsorge können wir auch begrenzt für andere Sorgen.
Wo ist nun mein Problem, dass ich zu der „Hedonismus-Keule“ greife? Meine Logik ist einfach: Menschen die „ihren Weg“ gehen, sind in der Regel eben nicht Einzelgänger in der endlosen Savanne. Sie sind eingebunden in eine Menschliche Gesellschaft und eine Natur, die wir ebenfalls nicht als Einzelwesen bewohnen. Und meine Forderung ist eben, dass der Mensch nicht nur sich sieht, sondern wegen seiner Einbettung in die Welt auch vernünftiger Weise die Säulen schützt, auf die er „seinen Weg“ gründet. Die Köngisklasse wäre es, wenn der Mensch diese Säulen um ihrer selbst willen schützt und nicht als Mittel zum Zwecke seiner eigenen Selbstverwirklichung.
Ich denke, also…
Wir kennen den Klassiker „Cogito, ergo sum“ von Descartes, mit dem sich der Mensch letztendlich auf seine eigene Ratio stützte und sich von Glauben und seinen Gefühlen abstrahierte. Leider ist mit dem Ansatz des Zweifelns und der zunehmenden Rationalisierung verloren gegangen, dass es eben mehr als die Ratio ist, die es zum Guten Leben braucht. Das „Ich“ alleine ist unvollständig, es fehlt das „Du“ und schlussendlich ein daraus sich ergebendes „Wir“. So erlebt sich der einzelne Mensch verloren, wenn er sich nicht in einem anderen Menschen widerspiegeln kann.
Somit ist das „Sich-Selbst-Finden“ als Äquivalent zu Descartes „Cogito“ nur der erste – aber niemals der letzte Schritt in der Evolution des Geistes.
Wenn wir nun also anerkennen, dass der Mensch sich selbst und seine „waren Bedürfnisse“ erkennt und auch erkennen soll, so ist doch sofort der nächste Schritt, dass wir diese unmittelbaren Bedürfnisse daraufhin prüfen, wie sie im Bezug auf die Welt stehen: ob sie nicht im Konflikt zu der Welt stehen, in der wir uns grade wiedergefunden und erkannt haben.
Konfliktlösung
Es ist ja nun möglich, dass wir mit unseren Bedürfnissen im Konflikt zur Welt stehen. Dann ist es insofern wichtig, dass wir diesen Konflikt erkennen und uns überlegen, was wir tun wollen:
- Wir können immer noch leugnen, dass es diesen Konflikt gibt.
- Wir können ignorieren, dass es ihn gibt.
- Ganz perfide ist übrigens nur zu behaupten, man arbeite an einer tollen Konfliktlösung aber stattdessen die Strategie zwei anzuwenden.
- Wir können auch versuchen, den Konflikt zu lösen.
Was wirklich wirklich ist…
Ich hatte ja schon mal angedeutet: Drei Dinge sind Wirklich Wichtig. Die in diesem Artikel genannten drei wirklich wichtigen Dinge passen nicht zu den drei ersten Konfliktlösungsansätzen. Alleine der Ansatz nummer vier verspricht im Einklang mit den wirklich wichtigen Dingen zustehen.
Also, was haben wir:
- Der Mensch ist nicht alleine in seiner Selbstverwirklichung
- Der Einzelgängerische Aspekt der Selbstverwirklichung scheint nicht das Ende des Nachdenkens zu sein.
- Wenn wir im Zusammenleben mit den anderen Welt-Mitbewohnern das gute Leben langfristig sichern wollen, müssen wir anstehende Konflikte nachhaltig lösen.
Wir können uns übrigens per se nicht darauf zurückziehen, dass der jeweils andere sich ja auch an diese Maximen halten muss und sich daher zuerst bewegen muss. Die offensichtliche Diskrepanz zwischen der eigenen Strategie, nachhaltig zu sein und der des anderen ist ja vielleicht nicht in aller Augen so offensichtlich.
Am Ende bleibt es wieder, dass wir die Frage klären müssen, was wirklich wichtig und was wirklich Mist ist. Wirklich Mist ist zum Beispiel eine Krieg anzufangen und zu leugnen, das es einer ist. Wirklich Mist ist auch, Gas und Atomenergie nachhaltig zu nennen, denn das sind sie erwiesenermaßen nicht. Mist ist auch, Elektroautos zu bauen und das als nachhaltige Mobilität zu bezeichnen.
Wir sehen also, dass in der Welt andere Präferenzen existieren und wir müssen uns also irgendwie damit arrangieren. Ein nachhaltige Lösung findet man nicht immer für alle Konflikte aber es bleibt genug für einen selbst zu tun.
Was bleibt für mich?
Konflikte bleiben Konflikte, auch wenn man sie ignoriert, leugnet oder das darüber sprechen unterdrückt. Das ist eine sehr ärgerliche Eigenschaft von Konflikten. Wie ein Geschwür vergrößern sie sich in der Regel auch noch, wenn man sie nicht richtig angeht.
Also versuche ich, die klassische Konfliktlösungsstrategie häufiger anzuwenden:
- Ich versuche einen Konflikt zu erkennen und für mich neutral zu beschreiben
- Ich entscheide, welches Verfahren ich anwenden willst: Ignorieren, leugnen, unterdrücken, vortäuschen, lösen
- Ich versuche Ansätze, die nicht „Lösen“ lauten, zu vermeiden. Ich weiß, dass man damit nur Zeit verliert, weil das Problem im Verborgenen weiter wächst.
Klappt leider nicht immer, aber ich bin stets bemüht.