Kein Sollen aus dem Sein


Ihr kennt sicher Diskussionen, in denen eine Beobachtung beschrieben und daraus eine notwendige Handlung abgeleitet wird. Ein gutes Beispiel dafür ist die Diskussion über Fleischkonsum. Die These hat zusammengefasst etwa wie folgende Struktur:

  1. (Beobachtung) Tiere in Massentierhaltung leiden.
  2. (Folgerung) Wir dürfen keine tierischen Produkte mehr nutzen.

Der schottische Philosoph David Hume (1711–1776) hat in einem viel beachteten Aufsatz erläutert, dass dieser Schluss nicht logisch zwingend ist. Er erfordert stattdessen zusätzlich eine moralische Bewertung der Situation und erst dann können wir diese Schluss ziehen. Nach Hume kann es kein Sollen aus dem Sein geben, dass ohne diese Bewertung auskommt.

Das Beispiel des Tierwohls

Tierschutzorganisationen und ethisch motivierte Personen argumentieren, dass der Fleischkonsum moralisch problematisch ist, weil die Tiere in der Fleischindustrie oft unter extrem schlechten Bedingungen leben und leiden. Sie schlagen daher vor, den Fleischkonsum zu reduzieren oder ganz aufzugeben. Dies scheint auf den ersten Blick eine logische Schlussfolgerung zu sein: Wenn Tiere leiden, sollten wir das Leiden reduzieren, indem wir kein Fleisch mehr konsumieren. Doch kann man wirklich so einfach von einer Tatsache zu einer moralischen Forderung übergehen?

Humes Guillotine

David Hume, ein einflussreicher schottischer Philosoph des 18. Jahrhunderts, argumentierte, dass es unmöglich ist, von einem „Sein“ (empirischen Fakten) direkt auf ein „Sollen“ (moralische Forderungen) zu schließen. In seinem Werk „Eine Untersuchung über die Prinzipien der Moral“ weist er darauf hin, dass jede moralische Schlussfolgerung eine zusätzliche normative Prämisse benötigt, die nicht aus den Fakten allein abgeleitet werden kann. Diese Trennung ist als „Humes Guillotine“ bekannt.

Im Kontext des Tierwohls bedeutet dies, dass die Tatsache, dass Tiere leiden, für sich genommen keine ausreichende Grundlage ist, um den Schluss zu ziehen, dass wir unser Verhalten ändern sollten. Es bedarf einer zusätzlichen moralischen Prämisse, beispielsweise der Überzeugung, dass es falsch ist, fühlenden Wesen unnötiges Leid zuzufügen.

Was heißt das?

Humes Unterscheidung zwingt uns, unsere moralischen Überzeugungen zu hinterfragen und zu rechtfertigen, anstatt sie quasi-logisch aus den Fakten abzuleiten. Diese Reflexion ist entscheidend, um eine solide ethische Grundlage für Handlungen zu schaffen, die über bloße empirische Beobachtungen hinausgeht.

Immanuel Kant, ein Zeitgenosse Humes, ging in seiner Ethik noch einen Schritt weiter. Kant versucht, moralische Prinzipien auf einer universellen Grundlage zu begründen, unabhängig von empirischen Fakten. Kants kategorischer Imperativ fordert, dass wir nur nach den Maximen handeln sollen, die wir zugleich als allgemeines Gesetz wollen können. In Bezug auf das Tierwohl würde dies bedeuten, dass die Frage nach dem Fleischkonsum nicht nur auf der Grundlage von Fakten oder persönlicher moralischer Ansichten, sondern auf der Basis universaler moralischer Prinzipien entschieden werden muss.

Schlussfolgerung

Die Debatte um den Fleischkonsum zeigt, wie relevant Humes Guillotine in modernen ethischen Diskussionen ist. Sie fordert uns auf, die moralischen Prämissen, die unsere Handlungen leiten, bewusst zu reflektieren und zu hinterfragen. Gleichzeitig öffnet sie den Raum für weitergehende philosophische Überlegungen, wie sie etwa Kant unternommen hat, um moralische Prinzipien auf einer festeren Grundlage zu etablieren. Letztlich zeigt Humes Guillotine, dass Ethik mehr erfordert als nur das Beobachten der Welt – sie erfordert eine tiefere Auseinandersetzung mit den Prinzipien, die unser Handeln leiten.

Was bliebt für mich?

Im Alltag ist Humes Guillotine nicht angekommen und muss sie meines Erachten auch nicht. In der Regel werden wir für solche Schlussfolgerungen nicht kritisiert, es sei denn die zugrundeliegenden Wertesysteme stimmen nicht überein.

Es hilft aber, Humes Guillotine zu kennen und sich im Klaren zu sein, dass es eben diese Wertesysteme sind, die zu einem Schluss führen. Man sollte also eher darüber sprechen, als über die Schlussfolgerung an sich.

Im Coaching können wir die Schlussfolgerung und die Wertesysteme separieren und uns Gedanken machen, ob es andere Schlussfolgerungen geben kann. Wir können auch das Wertesystem untersuchen. In einem Wertesystemen sind oftmals Angewohnheiten und Glaubenssätze verborgen, die wir uns weiter anschauen und zu denen wir lernen können, uns zukünftig anders zu verhalten.

David Hume

David Hume (1711–1776) war ein bedeutender schottischer Philosoph, Historiker und Ökonom der Aufklärung. Bekannt für seinen radikalen Empirismus und Skeptizismus, hinterfragte Hume die Grundlagen menschlichen Wissens und legte den Grundstein für viele moderne philosophische Debatten. Eines seiner zentralen Werke, „Eine Untersuchung über den menschlichen Verstand,“ revolutionierte das Verständnis von Kausalität, indem er zeigte, dass unsere Vorstellungen von Ursache und Wirkung auf Gewohnheit und nicht auf logische Notwendigkeit beruhen. Mit seinem Konzept der „Humes Guillotine“ betonte er die strikte Trennung zwischen Fakten (Sein) und moralischen Forderungen (Sollen), was bis heute die ethische Philosophie prägt. Humes Einfluss reicht weit über seine Zeit hinaus und bildet ein wichtiges Fundament für die moderne Philosophie.

Zum Weiterdenken

Weitere Anwendungsbeispiele

  • Es gibt kein Tempolimit, also brauchen wir eins.
  • Es gibt viele Verkehrstote, also brauchen wir eine Geschwindigkeitsbegrenzung
  • Es gibt einen globalen Schwund in der Biodiversität, also dürfen wir keine Pestizide mehr einsetzen.
  • (Etwas kniffeliger) Ich kenne einen, der trotz Corona Impfung krank geworden ist, deswegen ist Impfen sinnlos.

ChatGPT

Dieser Artikel ist abschnittweise mit Hilfe von ChatGPT entstanden. Ich mache ihn mir zu eigen und stehe zu den Aussagen.

Meine Prompts für ChatGPT 4o OpenAI:

  1. Du: Ich möchte einen Blog-Post über Humes Guilliotine schreiben. Hilf mir mit einem Vorschlag.
  2. Du: Gib mir ein Beispiel aus der Praxis, dass ich mit den Prinzipien von Humes Guillotine bearbeiten kann.
    (ChatGPT antwortet mit der Diskussion über das Tierwohl, dass ich dann auch übernommen habe)
  3. Du: Vermutlich ist die allgemeine Einführung eines Tempolimits ein ähnlicher Grund, oder?
    (ChatGPT stimmt zu und führt das Beispiel aus)
  4. Du: Dann würde ich mich jetzt über einen Vorschalg über einen Blog-Post zu diesem Thema freuen, der mit dem Beispiel des Tierwohls startet, dann das Problem aufschlüsselt und Humes Gedanken dazu aufführt. Du kannst sehr gerne Hume noch kurz vorstellen und abschließend Kants Gedanken aufführen.
    (ChatGPT erstellt einen Blog-Post, aus dem ich Teile hier übernommen aber jeweils im Schreibstil angepasst habe)
  5. Du: Sehr gut, das ist wirklich ein guter Vorschlag. Kannst Du mir bitte noch einen kleinen Abstract zu Hume selbst schreiben, den ich dann in den Blog-Post einbauen kann?
    (ChatGPT schreibt den Absatz, den ich auch übernommen habe)

Links

  1. David Hume auf Wiki
  2. Der naturalistische Fehlschluss