Das Gute im Schlechten


Auch wenn mancher Leser vielleicht meint, ich spiele mit dem Titel auf die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen an: Nein, tue ich nicht. Das Gute im Schlechten, von dem ich schreibe, ist die Geschichte des Hexenschusses, den sich der Autor dieser Zeilen vor ein paar Tagen zuzog. Da ist doch nichts Gutes dran, könnte man meinen, aber das stimmt nur im engeren Sinne.

Zunächst einmal kann ich den besorgten Leser beruhigen. Der Autor hatte vermutlich einen eher leichten Hexenschuss – ein Hexenschüsschen oder ein Hexenstreifschuss vielleicht. Zumindest Berichten zu Folge können die ausgewachsenen Hexenblattschüsse auf der Hexenschussrichterskala deutlich stärkere Ausschläge produzieren. Der Autor klagte also nicht über Lähmungserscheinungen oder dergleichen, sondern sah sich nur zu einer gewissen Rastlosigkeit getrieben. Eigentlich war nämlich alles soweit gut, solange er sich in gemäßigter Bewegung und Ruhe abwechselte. So konnte er bei seiner Stufenlagerung den Sofatisch von unten ausgiebig ansehen, brauchte fünf mal solange für das Leeren der Geschirrspülmaschine und konnte sogar bis in den Garten vor dem Hause spazierengehen.

Was aber ist jetzt das Gute daran?  Für die eher unterdurchschnittlich masochistisch Veranlagten unter uns kann der Schmerz nicht das Gute sein. Insbesondere ist er dann nicht gut, wenn er gar auf eine hexenzerschossene Bandscheibe zurückzuführen ist. Der Autor erkennt das Gute vielmehr darin, dass er plötzlich mit einem Körper, der nur noch in Zeitlupe funktioniert, Zeit hat, seine Gedanken treiben zu lassen.

Je nach Schussverletzung kann der Getroffene also am Stehpult mit dem Schreibblock, stufenliegend unter dem Sofatisch mit einem Klemmbrett, auf dem Sofa mit dem Laptop oder beim Spaziergang in den Garten mit dem Diktiergerät seine Pläne für die unvermeidlich langsamen, kommenden Tage formulieren und ausfeilen. Denn in jeder Bewegung lauert entweder der schon existierende Schmerz oder die Angst vor der gemeinen doppelschüssigen Hexe, was den Autoren eisern in der Zeitlupe festhält.

Was also könnte er anderes tun, als die noch beweglichen Gedanken mobilisieren? Für die Leidensgenossen ein paar Anregungen:

  1. Der Dachboden ist zwar Hexenschuss-Risikogebiet, bedarf aber doch sicher mal wieder einer Grundordnung. Was erwarten uns dort nur für Schätze? Keine? Dann doch mal in Gedanken die Kisten durchgehen und den Schlachtplan schmieden, wie der Unrat entsorgt werden kann.
  2. Lohnsteuer schon abgegeben? Nein? Also einen guten Freund bitten, die Kiste mit den Unterlagen auf dem Wohnzimmertisch abzustellen und abwechselnd im Stehen und im Sitzen anfangen zu sortieren.
  3. Lästige Aufgaben wie 1. uns 2. entweder schon alle fertig oder lagen nicht an? Glückwunsch! Wie sieht es denn mit der allgemeinen Lebensplanung aus? Kinderkriegen mit dem/der Lebensabschnittsgefärten/~in terminiert? KFZ-Versicherung noch aktuell? Den existierenden Kindern schon Lateinvokabeln abgefragt? Heute schon barfuß durch das tau-feuchte Gras spaziert? Handy schon ausgeschaltet und Musik gehört? Brief an Oma geschrieben? Letzteres geht übrigens am Besten in der „Tisch-Phase“ – als Tipp für die Ungeübten unter den Hexenabgeschossenen.
  4. Hexenschuss noch immer nicht ausgeheilt? Ok, dann brauchen wir einen Langfristplan zur Kanalisierung unserer Gedanken. Hier empfehle ich das Kommentieren kritischer Kommentare in den Kommentar- und Kolumnensparten der einschlägigen Online-Newsportale. Da verheilt jeder Hexenschuss, bis diese Aufgabe abgeschlossen ist. Man darf ja auch nur in der Sofa-Phase am Laptop sitzen/liegen.
  5. Der beste Vorschlag zum Schluss: Nichts tun. Und das mit allen Sinnen. Welcher Vogel singt da? Welches Auto fährt da? Was für Insekten laufen durch den Rasen? Wie fühlt sich die Borke des Baumes an? Selbst wenn man alle Kommentare in den Online-News, auf Twitter und Snapchat gelesen, beantwortet oder kommentiert hat: Die Aufgabe, alle Sinne von Filtern zu befreien und wieder die Umwelt als Welt zu erfassen, können wir niemals beenden. Zumindest sollten wir es nicht. Und schon gar nicht sollten wir es wollen.
Was bleibt für mich?

Nachdem es mich als Autoren dieses Eintrages mit meinem Hexenstreifschuss etwa eine knappe Woche aus der Kurve geworfen hat, versuche ich es mal mit Anregung 5. gepaart mit der einen oder anderen Sportstunde. Mit Planung und Vorsätzen bin ich schon weit, einschließlich der Planung der Umsetzung. Jetzt muss ich noch die Umsetzungsphase umsetzen. Bis dahin schreibe ich noch schnell diesen Blogeintrag, die Sofa-Phase will ja auch genutzt werden.