Oh Ihr tapferen langjährigen Blog-Leser: Sicher habt Ihr noch den Artikel von Anfang 2016 präsent, in dem ich mich bereits schon einmal über Neujahrsvorsätze geäußert habe. Ich habe zwar eingeräumt, dass es ein durchaus verbreiteter Brauch ist, dem ich aber nur insofern folge, als dass ich meinen Vorsatz, keine zu haben, auch recht früh wieder aufgebe – so wie sehr viele eben auch ihre Vorsätze wieder aufgeben. Warum also einen weiteren Artikel dazu? Ich schlage eine kleine Änderung des Brauches vor.
In hiesigen Breiten gilt ja das Denkmuster: Problem – Plan – Action – Lösung. Gelegentlich räumen wir uns nach dem Deming-Kreis auch mehrere Durchläufe dieses Denkmusters ein. Diesem Muster wohnt das Vertrauen inne, dass wir mit einer Aktion unserem Ziel näher kommen. Gerne vernächlässigen wir dabei, dass unsere Aktion Nebenwirkungen haben kann, dass sie schlimmstenfalls wirkungsfrei ist oder die Lösung nach Wirkungseintritt auch noch unserem aktuellen Wunsch entspricht.
Entgegen diesen ganzen Vorsatz-Seiten und den Kariere-Ratgebern, die für den schwachen Geist Umsetzungspläne haben, streite ich mal entspannt und ketzerisch komplett ab, dass überhaupt das Ansinnen vernünftig ist.
Neujahrsvorsätze 2.0: Änderung der Situation
Statt also vom Zeitpunkt Ende 2017 heraus ab dem 1.1.2018 keinen Stress mehr haben zu wollen (Lieblingsvorsätze der Deutschen) schlage ich vor: Langsam mit den jungen Hühnern – Schaut doch erstmal mal in Eurer Vergangenheit nach, wie es zu diesem Stress gekommen ist.
Gab es Schicksalsschläge, gab es „einfach immer mehr“, gab es neue Menschen in Eurem Umfeld, gab es Entscheidungen von Euch, die sich als ungünstig erwiesen haben – was auch immer. Sucht Eure Historie ab nach einzelnen Sandkörnern, die sich summieren, nach den großen Brocken und den Felsen.
Fragt auch Kollegen, Freunde und Familie, die Euch gut einschätzen können. So erhaltet Ihr ein vollständiges Bild der Situation, in der Ihr Euch befindet und wie es dazu gekommen ist. Weiterhin könnt Ihr ausmachen, in welche Richtung Ihr Euch bewegt: Ist es immer „schlimmer“ geworden und was ist „es“?
Dann geht Ihr entlang der Zeit und Eurer Geschichte zurück und überlegt Euch, wann Ihr etwas anders hättet machen müssen, um die heutige Situation vorteilhafter wahrzunehmen.
Fertig damit? Sehr gut. Dann habt Ihr viel gelernt. Wobei ich Euch jetzt nicht bei helfen kann, ist die Anwendung Eures Wissens auf die heute Situation. Die Idee ist nun, der gesamten Situation, in der Ihr Euch befindet, einen kleinen Schubs in die richtige Richtung zu geben, so dass sie sich zu einem späteren Zeitpunkt wunschgemäß entwickelt hat.
Dahinter steht, dass Ihr immer eingebettet seid in einem Umfeld und einzelne Aktionen nicht das ganze Umfeld ändern können. Also: gar nicht erst versuchen, sondern die Situation verändern in der Ihr Euch befindet und davon mitnehmen lassen.
Ein weiteres Beispiel: Abnehmen
Bevor Ihr Euch also wie alle anderen beim Fitnesstudio anmeldet – Erstmal bei einem schönen Glas Wein (oder Eurem Lieblingsgetränk der Wahl) und der besten Freundin / dem besten Freund sinnieren: Ja hoppla, auf einmal bin ich dick! War ich doch gestern noch nicht… oder vorgestern…
Und dann rollt Ihr auf, was von dem Waschbrettbauch / der Wespentaille / Eurem Schönheitsideal aus Eurer Jugend geworden ist: Ach ja, seit meine Lieblingstante Trude gestorben ist, trinke ich doch abends so gerne diesen Likör WieHeißtErDochGleich und diese leckere Schoki von Onkel Ernst dazu…
Schaut Euch an, wie Ihr in die heutige Situation gekommen seid, dann habt Ihr viel gelernt, Weichen für die Zukunft zu stellen. Hütet Euch davor, nur Euch in dieser Situation ändern zu wollen. Das würde Euch viel Kraft kosten, da die Situation Euch nicht tragen wüde. Schaut, dass Ihr die Situation mit verändert, die Euch umgibt – darin eingebettet werdet Ihr langsam wieder entlang der neuen Richtung getragen.
- Den Lieblingslikör ausschleichen (nur an graden Tagen, an durch drei teilbaren…)
- Keine Tafel der Schoki von Onkel Ernst, sondern Onkel Ernst bitten, statt der Nuss-Schokolade nur die Nüsse zu schicken
- Mit Lieblingsfreundin Susanne nicht zum Kaffee-Latte sondern zum Gang um den Block und einem Tee verabreden
- Die Heißhunger-Schoki morgens um 11:00 umgehen, indem Du konsequent um 10:00 eine handvoll Nüsse (die von Onkel Ernst) einwirfst.
Und wenn die Situation sich geändert hat und Dich trägt, gibst Du ihr einen weiteren Schubs: Du gehst nicht mit Susanne spazieren, sondern schenkst Euch beiden zu Ihrem Geburtstag Nordic-Walking Sticks. Damit marschiert Ihr doppelt so schnell und weit und habt euch den Tee wirklich verdient. Freund Otto hat sicher auch noch den Artikel zu den Fahrrädern – oder war es über die neuen Joggingschuhe, die quasi von alleine laufen sollen?
Und was bleibt für mich?
Das Modewort „disruptive Änderungen“ ist ja schön und gut. Der Riss basiert aber sicher auf schon seit längerer Zeit mürbe gewordenem Gewebe. Wie auch immer. Ich bin überzeugt davon, dass wir aus der Vergangenheit lernen können. Wir können sie nicht auf die Zukunft übertragen, denn die heutige wie jede bisherige Situation ist einzigartig. Ich versuche, das Maß der Änderungen, die eine Situaion bedarf und verkraftet besser zu erkennen. Das wirkt auch dem Stress entgegen.
Eine Antwort zu “Änderungen – eine neue Art Neujahrsvorsätze”
[…] Weitere Vorschläge fürs Leben ohne Google findet Ihr hier. Ich würde suzessive Umstellen, nicht zu viel auf einmal, man muss sich dabei wohlfühlen und es gibt ja auch […]